Mittwoch, 13. März 2013

WELT SCHMECKEN - ein Apercu zur Lutherdekade: Nebenstrecke

Anlässlich der Lutherdekade 2007-2017 präsentiert das Künstlernetzwerk klangwerft oldenburg eine performative Rezitation mit Texten Jakob Böhmes.

Knapp hundert Jahre nach Martin Luther geboren, avancierte der Lausitzer Schuster Jakob Böhme mit 37 Jahren auf autodidaktischem Wege zum Schriftsteller, Mystiker und Philosophen und wurde zu einem der einflussreichsten Denker seiner Epoche. 
Die protestantische Amtskirche in Görlitz, damals zwar noch jung, war dafür umso strenger in ihren Dogmen verhaftet - die Schriften eines Laien, der aus der Quelle seiner Visionen und Eingebungen schöpft, waren unerwünscht, Jakob Böhme wurde der Häresie bezichtigt, inhaftiert und mit Publikationsverbot belegt.
 
Die dem Pantheismus und Neuplatonismus verwandte Gedankenwelt Jakob Böhmes verdankt ihre christliche Ausrichtung der Bibelübersetzung Martin Luthers. In seiner ersten Schrift Aurora oder die Morgenröte im Aufgang fordert Böhme:

Darum verstehe nur deine Muttersprache recht, du hast so tiefen Grund darinnen als in der hebräischen oder lateinischen, ob sich gleich die Gelehrten darinnen erheben wie eine stolze Braut. Es kümmert nichts, ihre Kunst ist jetzt auf der Bodenneige. Der Geist zeiget, daß noch vorm Ende mancher Laie wird mehr wissen und verstehen als jetzt die klügesten Doctores wissen, denn die Tür des Himmels tut sich auf; wer sich nur selber nicht verblenden wird, der wird sie wohl sehen. (Aurora VIII - 73)


Das Projekt WELT SCHMECKEN lädt dazu ein, neue Impulse zur Lutherdekade zu entdecken, und das gleich in doppelter Hinsicht:
Zum einen kann die visionäre Kosmologie Jakob Böhmes als ein Beispiel für eine Befreiung des Denkens in der Folge der Reformation (und der Wirren der Bauernkriege) angesehen werden. Andererseits ist mit dem Blick auf Schreibverbot und Verfolgung eines als unchristlich abqualifizierten Autoren auch eine Schattenseite der Reformation angesprochen. 

Die Verneigung vor dem großen Jubilar Martin Luther ist damit keineswegs infragegestellt - im Gegenteil mag sie mit einem umfassenderen Blick auch auf die Nebenwirkungen der Reformation in weitere Tiefen und Wahrhaftigkeiten dringen. 

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Anstelle einer Dokumentation der Veranstaltung folgen hier drei Arbeitsskizzen - sie mögen einen Eindruck der sprachlichen und atmosphärischen Gestimmtheit geben, die den Abend durchströmt.